Funktionelle und Dissoziative Neurologische Symptome : Patientenführer -Deutsch

Funktioneller Tremor/ Dystonie / Gangstörung
und andere funktionelle Bewegungsstörungen
Was sind funktionelle Bewegungsstörungen
Eine funktionelle Bewegungsstörung bedeutet, dass abnormale Bewegung oder Haltungen von Körperteilen aufgrund einer Fehlfunktion des Nervensystems (nicht aber aufgrund einer neurologischen Erkrankung) auftreten.
Patienten mit einer funktionellen Bewegungsstörung können eine Reihe von belastenden und behindernden Symptomen aufweisen:
Tremor - Wenn ein Arm oder Bein unkontrolliert zittert. Bei funktionellem Tremor ist dies oft sehr variabel. Das Zittern kann sogar verschwinden, wenn Sie abgelenkt sind, aber zu anderen Zeiten sehr behindernd sein.
Zuckungen - Manche Menschen leiden an ruckartige Bewegungen. Diese können vor allem in Reaktion auf laute Geräusche, bestimmte Arten von Lichtern oder Schmerzattacken auftreten.
Dystonie/ Spasmen/ Kontrakturen - Einige Leute bemerken, dass ihre Hände oder Füße abnormale Haltungen einnehmen, die nur schwer zu überwinden sind. Dies kann ein vorübergehendes Problem (Spasmus/ Krampf) oder aber chronisch sein (letzteres wird in der Regel als fixierte/ funktionelle Dystonie oder Kontraktur bezeichnet). Patienten mit funktioneller Dystonie haben häufig eine "geballte Faust" oder einen verdrehten Fuß (siehe gegenüberliegende Seite).
Gangstörung - Verschiedene Gangprobleme können als Teil einer funktionellen Erkrankung auftreten. Am häufigsten ist "Nachziehen eines Beines" bei Patienten mit funktioneller Schwäche eines Beines. Häufig ist auch ein allgemein unsicheres Gangbild, oft assoziert mit einer Geschichte von früheren Stürzen und Angst vor zukünftigen Stürzen.
Im Gegensatz zu anderen Bewegungsstörungen (z.B. Parkinson-Krankheit) wird eine funktionelle Bewegungsstörung nicht durch Schädigung oder Krankheit des Nervensystems verursacht. Die Ursache ist ein reversibles (umkehrbares) Problem in der Funktion des Nervensystems.
Dies bedeutet, dass eine funktionelle Bewegungsstörung besser werden oder sogar ganz verschwinden kann.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose einer funktionellen Bewegungsstörung wird üblicherweise durch einen Neurologen gestellt. Es kann schwierig sein diese Diagnose zu stellen, weil dies Expertenwissen der gesamten Palette von "organischen" neurologischen Bewegungsstörungen erfordert, welche auch oft ungewöhnlich oder sogar bizarr erscheinen.
Es ist daher schwierig, alle klinischen Merkmale der funktionellen Bewegungsstörungen zusammenzufassen. Sie treten oft im Zusammenhang mit Verletzungen auf und der Beginn kann plötzlich sein. Im Folgenden sind einige Beispiele genannt:
1.Tremor (Zittern) – typischerweise ist funktioneller Tremor charakterisiert durch:
a.Variable Amplitude (wie stark das Zittern ist)
b.Variable Frequenz (wie schnell das Zittern ist)
c.Zeitweise ist kein Zittern vorhanden
d.Zittern, das vorübergehend verschwindet, wenn der Betroffene Aufgaben zu erfüllen hat die viel mentale Anstrengung erfordern (wie eine schwierige Rechenaufgabe)
e.Schwierigkeiten, exakte rhythmische Aufgaben mit der gesunden Hand (oder Bein) durchzuführen
f.Tremor, der stärker wird, wenn jemand versucht ,Ihren Arm oder Ihr Bein festzuhalten
2.Zuckungen – diese werden auch als Myoklonus bezeichnet. Funktioneller Myoklonus ist charakterisiert durch
a. Zuckungen (sehen oft aus als hätte man einen Stromstoß erhalten), die in Erwartung oder Reaktion auf laute Geräusche auftreten (es gibt aber auch andere Auslöser)
b.Vorhandensein einer speziellen Welle in der Hirnstrommessung, genannt “Bereitschaftpotential”, welche üblicherweise bei Patienten mit Myoklonus, verursacht durch eine neurologische Krankheit, nicht vorhanden ist.
3.Gutartige Muskelzuckungen – diese werden manchmal auch als "benigne Faszikulationen" bezeichnet. Die meisten Menschen haben von Zeit zu Zeit kleine Zuckungen, vor allem rund um die Augen und in den Fingern. Solche Zucken sind sehr häufig, sodass es normal ist, diese manchmel zu bemerken. Allerdings bemerken manche Leute, dass sie mehr und mehr von diesen Muskelzuckungen erleben, bis sie in mehreren Bereichen ihres Körpers fast andauernd vorhanden sind. Dies kann zu verständlicher Angst vor der möglichen Ursache dieser Symptome führen, was wiederum das Zucken noch schlimmer machen kann. Generalisierte gutartige Zuckungen wie diese sind häufiger unter Medizinstudenten und Ärzten, welche dann Angst entwickeln, an einer sogenannten Motoneuronenerkrankung (= Amyotrophe Lateralsklerose / ALS) zu leiden. In der Tat sind diese gutartigen Zuckungen, welche die gesamte Muskelfaser betreffen, unterschiedlich zu den kleineren "zappelnden" Bewegungen, genannt Faszikulationen, bei Motoneuronenerkrankungen. Diese Zuckungen sind also eigentlich fehlbezeichnet als "gutartige Faszikulationen". Es gibt noch andere Ursachen für generalisierte Muskelzuckungen, gutartige Faszikulationen sind aber am häufigsten.
4.Spasmen (Krämpfe) – Funktionelle Spasmen treten oft im Bereich der Hände und Handgelenke auf. Häufig sind sogenannte "Karpopedalspasmen" (siehe Abbild).
Diese Spasmen treten auch bei anderen Krankheiten wie einem erniedrigten Kalziumblutspiegel auf und Ihr Arzt wird diese Möglichkeiten bedenken, bevor er Ihre Symptome als "funktionell" betrachtet. Karpopedalspasmen treten klassischerweise auch während Hyperventilation auf (klicken Sie hier um mehr zu erfahren).
5.Fixierte abnorme Haltung (funktionelle Dystonie) – Hand oder Fuß sind ständig in einer abnormen Haltung fixiert. Solche fixierte Haltungen gehen meist mit einer Schwäche und oft auch mit Schmerzen im betroffenen Körperteil einher. Es gibt hier Überschneidungen mit dem sogenannten Komplex regionalen Schmerzsyndrom Typ 1. Die beiden häufigsten Arten betreffen:
a. die Hand (kann ähnlich einem Karpopedalspasmus aussehen, manchmal auch wie eine geballte Faust)
b. den Fuß (wobei typischerweise der Fuß nach einwärts verdreht ist)
6.Funktionelle Gangstörung – Es handelt sich um ein abnormales Gangbild, welches nicht durch eine zugrundeliegende neurologische Krankheit verursacht wird. Verschiedene Arten wurden beschrieben:
a.Exzessive Langsamkeit – extrem langsames Gehen, wobei die Füße die Tendenz haben, am Boden kleben zu bleiben.
b. "Gehen wie auf Eis"– ein vorsichtiges Gangmuster, breitbasig und mit steifen Beinen.
c."kauernd/duckend" – der Betroffene sieht aus, als würde er am Boden hockend gehen. Dies ist oft mit Angst vor Stürzen assoziiert.
d. Plötzliches Einknicken - typischerweise ist dies mit funktioneller Schwäche in den Beinen einhergehend. Manchmal wird dies als "Drop Attack/ Sturzanfall" beschrieben. Es ist wichtig zu erkennen, dass es auch andere Ursachen hierfür geben kann, wie zum Beispiel Knie-Probleme.
e. Unsicherheit - eine allgemein Gangunsicherheit mit plötzlichen Ausweichschritten.
Bilde ich mir dann alles nur ein?
Die Antwort ist NEIN, aber klicken Sie auf "Eingebildet?" um mehr darüber zu erfahren.
Wie enstehen funktionelle Bewegungsstörungen?
Funktionelle Bewegungsstörungen entstehen bei unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Gründen. Einige der Auslösefaktoren sind ähnlich wie jene bei der funktionellen Lähmung, vor allem:
Nach einer Verletzung / mit Schmerz — Die Mehrzahl der Patienten mit funktioneller Dystonie (seltener auch Tremor) hat kurz vor Beginn der Symptome eine körperliche Verletzung oder starke Schmerzen. Manchmal gibt es Überlappungen zum Komplex regionalen Schmerzsyndrom Typ 1. Die mit letzterem einhergehenden Bewegungsstörungen (allen voran Dystonien) sind nicht von funktionellen Bewegungsstörungen zu unterscheiden. Funktionelle Myoklonien und Tremores können auch bei Patienten mit chronischen Schmerzsyndromen (z.B. chronischen Rückenschmerzen) auftreten.
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Patienten mit fixierter Dystonie haben häufig eine geballte Faust (unten) oder einen nach innen verdrehten Fuß.
Karpopedalspasmen können während Hyperventilation auftreten.


